Warum körperorientiert

Was bedeutet körperorientiert in der Psychotherapie?

Körperorientierte Psychotherapie bedeutet nicht, dass der Körper berührt oder in Aktion gebracht wird.

Körperorientiert bedeutet, die Aufmerksamkeit auf das zu lenken, was sich heute, jetzt, in diesem Moment zum Erzählten auf körperlicher Ebene zeigt. Diese Aufmerksamkeit ist die Tür zu unserem impliziten Gedächtnis, den körperlichen Empfindungen, die viel  tiefer und weiter führen als Denken, Erinnerung und Emotionen.

Ein Beispiel: Sie betreten eine Ihnen fremde Wohnung, in der es genauso riecht, wie bei Ihrer besten Freundin aus Kinderzeit vor 35 Jahren - dieser eigentlich längst vergessene und unspektakuläre Geruch bringt plötzlich die Empfindung zurück, die Sie damals in jener Zeit als Kind hatten. Es weitet sich z.B etwas im Bauch, eine leichtes Kribbeln wird dort wahrnehmbar, die Schultern entspannen sich … Vertrautheit, Freiheit. In solch einem Moment würde man diesen netten Zufall vielleicht kurz erwähnen. In der körperorientierten Psychotherapie beginnt genau hier die Reise.

Focusing als körperorientiertes Element in der Psychotherapie verbindet unseren denkenden Kopf mit unserem stets fühlenden Körper. Geschieht dieses Verbinden unseres Kopfes mit unserem Körper, erfassen wir das Eigentliche hinter unserem Zustand – wir verstehen auf tiefere Weise. Es steigt Erleichterung auf, ganz gleich, was wir erkennen. Im Moment dieser Verbindung wird es friedlich in uns, es ist ein Zustand ohne Bewertung, ohne Worte. 

Veränderungen sind vor allem dann möglich, wenn ein Mensch sich nicht nur durch Reden und Reflektieren besser versteht, sondern auch körperlich erfährt, wie sein inneres Empfinden mit seinem Problem, seinen Gefühlen in Zusammenhang steht.
Unser Körper bewahrt unsere gesamte Lebensgeschichte und all unsere Gefühle, er vergisst nicht – und er zeigt sie uns auf ganz andere Weise als unser Intellekt. Wir haben nicht einen Körper – wir sind unser Körper.

Unsere schwierigen Phasen oder Situationen im Leben sind oft verbunden mit abgelehnten, weggewünschten, störenden Gefühlen, die nicht in unser Bild vom Erwachsen- und Starksein passen und wir schieben diese Gefühle unermüdlich weg.  Aber so sehr wir uns auch bemühen, sie tauchen immer wieder auf – denn unter ihnen wohnen Teile von uns, die gesehen werden wollen und Trost, Beachtung, Anerkennung oder Verständnis brauchen. Schauen wir wirklich hin – offen, neugierig und wertschätzend – und erkennen das Bedürfnis unter unseren vordergründigen Gefühlen und unserem Verhalten, verlieren diese Anteile ihre oft negative Kraft. Wenn auch die äußeren Umstände erstmal die gleichen bleiben – unser Umgang damit verändert sich nachhaltig – und damit auch die Umstände. 

Einen Zugang zum Körper zu finden ist für viele Menschen nicht leicht, da der Körper schmerzvolle Erinnerungen beherbergt, die sich mit dem Kopf mehr oder weniger gut verdrängen lassen. Den Körper wieder wahrzunehmen, ihn zu begreifen  und schließlich wieder zum Freund zu machen ist ein wesentlicher Schritt in der körperorientierten Psychotherapie.

Es ist ein endloses Unterfangen, die Boote auf dem wilden Meer zu reparieren - es sind zu viele. Das Meer zu beruhigen und zu glätten lässt die Boote wieder Fahrt aufnehmen - ganz von allein.